"Fort, fort, der Südost fliegt gerade über Wörlitz! "

"Fort, fort, der Südost fliegt gerade über Wörlitz!
Mit der Sonne sank ich da in den wechselnden Garten, dessen Aussichten wieder Gärten sind. Da war mir, als gehe die Sonne eben auf; alle Tempel blitzten wie vom Morgenlicht – erfrischender Thau überquoll den Boden, und die Morgenlieder der Lerche flogen umher. – Lange sonnentrunkne Perspektiven liefen wie glänzende Rennbahnen der Jugend, wie Himmelswege der Hoffnung hin – das goldne Alter des Tags, der Morgen, schien meinem schönen Wahne umzukehren. Ach, kein Morgen und keine Jugend stehet von den Todten auf ohne eine Nacht. Die langgegliederten Schatten standen wie angelandete Geister der Nacht an den Ufern und überfielen bald die verlassene Welt..."
Jean Paul, 'Seebuch des Luftschiffers Giannozzo', 1801
Dessau-Wörlitz: Revolutions-Prophylaxe mit Gärten und Luftschiffern Franz III: Was daraus wird, wenn ein Fürst nicht

Wer Wörlitz betritt, der kann sich wie Jean Paul leicht als verzauberter Luftschiffer fühlen: Auch heute noch ist die Schönheit der Parks und Gärten, der Seen und Sichtachsen ein Erlebnis, das den Besucher verzaubert und ihn zwischen Schlössern und träumenden Nymphen gefangen nimmt. Aber Parks und Gärten gibt es viele in Deutschland, das immerhin um 5.000 Schlösser und Burgen beherbergt. Was genau bewegt also Herz und Gemüt, dass gerade die Wörlitzer Gewässer und Bauten als "Himmelswege der Hoffnung" erscheinen? Das hat, auch wenn die meisten Besucher es wohl nicht mehr wissen, etwas mit Geschichte zu tun, mit dem, was sich in dem kleinen Fürstentum Anhalt-Dessau vor etwas mehr als 200 Jahren zugetragen hat. Exkurs in die Vergangenheit:
Der Krieg war nicht nur die Lust der Monarchen, er war ihre Pflicht. Ein Landesherr, der sich dem Kampf verweigerte, durfte in Indien vom Thron gestossen werden und galt in Europa fast immer als Outcast in der elitären Gruppe der gottgewollten Herrscher. Aber: Als es mit der Akzeptanz einer von Gott verliehenen absoluten Herrschaft zu mindest in Europa langsam zu Ende ging (oder anders gesagt: als die französische Revolution sich anschickte, die Bühne der Geschichte zu betreten) bebte es nicht nur in der Region von Paris. Auch in Holland und England begann das Bürgertum, sich erfolgreich gegen die Feudalherrschaften zur Wehr zu setzen. Deutschland hinkte in den Entwicklungen wie so oft etwas hinterher: Die Herren Revolutionäre gaben sich eher zögerlich.

Folge: In Regionen wie zum Beispiel im Preußen Friedrich des Grossen und umliegenden Ländern (z.B. Anhalt-Dessau als direkt angrenzender Nachbarstaat) tat sich die Freiheit noch für eine Weile recht schwer, das Zepter zur übernehmen. Dennoch hatten die hohen Herren in ihrer militärgeschützten absoluten Herrschaft eine wirkliche Chance auf Fortführung ihres Machtapparates nicht mehr. Das, was ihre jahrhunderte alte Macht ins Wanken bringen sollte, nannte sich "Aufklärung", wurde ganz wesentlich durch einen mürrischen Philosophen mit genährt, der im fernen Königsberg von der "selbstverschuldeten Unmündigkeit" des Menschen sprach, der endlich lernen müsse, sich seines Verstandes zu bedienen, unter anderem gegen das Joch feudaler Herrschaftsansprüche und gegen die Deutungshoheit der katholischen Kirche.
Worte wie die des Philosophen Kant waren im 18. Jahrhundert so gefährlich wie heute Atombomben. Man brauchte viel Mut, so etwas überhaupt zu denken und noch mehr Mut, danach auch zu handeln. Ja, die Gefahr war so gross, dass es selbst für einen Fürsten wie Franz III von Anhalt-Dessau nicht ungefährlich war, seinen Untertanen die Freiheit der eigenen Gedanken zu schenken. Wenn sich dieser ungeheuerliche Vorgang dann auch noch in direkter Nachbarschaft zu Preußen ereignete, hatte der kühne Landesherr vom Soldatenkönig Friedrich II nicht viel Gutes zu erwarten: Denn Friedrich der Grosse war ein Metzger, der in seinem Zorn vor nichts Halt zu machen pflegte (und u.a. den Geliebten seiner Schwester in der Feste Magdeburg zu Tode hat foltern lassen, weil er es nicht ertragen konnte, dass es da einen Mann an ihrer Seite geben sollte).

"Sagen Sie mir von Ihrer Berlinischen Freiheit zu denken und zu schreiben ja nichts. Sie reduziert sich einzig und allein auf die Freiheit, gegen die Religion so viel Sottisen zu Markte zu bringen, als man will... Lassen Sie Einen in Berlin auftreten für die Rechte der Untertanen, der gegen Aussaugung und Despotismus seine Stimme erheben will, und Sie werden bald die Erfahrung haben, welches Land bis auf den heutigen Tag das sklavischte Land Europas ist". Lessing

Als also 1758 der gerade 18jährige Leopold III Friedrich Franz, Fürst und (ab 1807) Herzog von Anhalt-Dessau sein Erbe antrat und damit Herr über 700 km2 Land und 35.000 Seelen wurde, hatte er in diesem Friedrich einen bedrohlichen Nachbarn, den er mehr fürchtete als Napoleon. Denn der, so soll er oft gesagt haben, sei Vernunftsgründen zugänglich, Friedrich jedoch nicht. Dennoch liess sich der junge Mann von den nachbarlichen Machtdemonstrationen nicht wirklich beeindrucken. Schon ein Jahr zuvor, mit nur 17 Jahren, war er in Prag aus dem Militär ausgetreten und begann nun nach seiner Amtsübernahme in Anhalt-Dessau sogleich damit, jede Art von Militär aus seinem Land zu vertreiben.
Statt Krieg, der alten Lust und Pflicht des Adels, hatte er etwas ganz anderes im Sinn. Franz III wollte aus seinem Land ein Paradies machen, aber eines, das seine Untertanen ernährte und in dem die Menschen denken konnten, was sie wollten – das Gartenreich Dessau-Wörlitz. Dem Grossen Fritz überreichte er vorsichtshalber eine Neutralitätserklärung, die der Preuße mit den Worten quittierte: "Ihre Neutralität wird Ihnen bekommen wie denen Hunden das Gras fressen". Die Fronten waren also klar. Friedrich deklarierte das kleine Dessau-Anhalt als Feindesland, verbot seinen Landeskindern das Überschreiten der Grenze und war auch sonst erfinderisch mit allerlei Kontributionen zur Hand. Franz sprach von Freiheit für alle und machte die Ästhetik zu seiner Verbündeten.

"Hier ists jetzt unendlich schön. Mich hats gestern Abend wie wir durch die Seen, Canäle und Wäldgen schlichen sehr gerührt, wie die Götter dem Fürsten erlaubt haben einen Traum um sich herum zu schaffen. Es ist wenn man so durchzieht wie ein Mährgen das einem vorgetragen wird und hat ganz den Charackter der Elisischen Felder. In der sachtesten Manigfaligkeit fliest eins in das andere, keine Höhe zieht das Aug und das Verlangen auf einen einzigen Punckt, man streicht herum ohne zu fragen wo man ausgegangen ist und hinkommt. Das Buschwerck ist in seiner schönsten Jugend, und das ganze hat die reinste Lieblichkeit..."
Johann Wolfgang von Goethe, über den Park Luisium, anlässlich eines Dessau-Wörlitz-Besuches 1778.
Aus einer Entfernung von ca. 250 Jahren ist es vergnüglich anzusehen, wie wenig die Drohgebärden dem einsamen, verbitterten Mann in Berlin genutzt haben. Es war nämlich gar nicht dieser nachbarliche Winzling Franz III gegen den Friedrich da zu kämpfen versuchte. Es war die Zeit und die alles erfassende Bewegung der Aufklärung, die mit der französischen Revolution ihrem Höhepunkt zustrebte. Die Vernunft und damit die Unabhängigkeit des Einzelnen von Kirche und feudaler Herrschaft war nicht mehr aufzuhalten, und was immer sich ihr in den Weg zu stellen versuchte, wurde mitgerissen und verwandelt. Solche Verwandlungen, gerade die Deutschen wissen das aus bitterer Erfahrung, werden meistens mit viel Blut bezahlt und die Menschen müssen dabei dem Bösen tief ins Gesicht schauen.

Anders in dem kleinen Fürstentum Anhalt-Dessau. Dort geschah die Verwandlung "auf Wunsch von oben ", also auf Intention des Fürsten, gestaltete sich fast heiter und in zunehmender ästhetischer Vollkommenheit. Der Einfluss auf andere Länder war enorm. Mit der ganzen Kraft und Unbekümmertheit seiner 18 Jahre hatte sich Franz nicht weniger als die ästhetische Erneuerung des gesamten Landes vorgenommen. Was er wollte war ein ganzes Land als naturbelassener Garten (im englischen Stil), Humanismus und Aufklärung für alle, und alle Anlagen und Parks sollten den Landeskindern jederzeit zugänglich sein. Auch für sich selber machte er da keine Ausnahme: Vater Franz, wie ihn seine Untertanen im Alter liebevoll nannten, war für jedes seiner Landeskinder jederzeit erreichbar und ansprechbar für ihre Sorgen, Wünsche und Nöte.
"...eine Anlage, die allgemein Beyfall fand und dem Geschmacke eine bessere Richtung gab. Diese Anlage ist das Schloß und der Garten zu Wörlitz. Dieser von dem regierenden Fürsten Franz von Dessau nach seiner eignen Zeichnung und Angabe angelegte Garten war in unsern Gegenden der erste in englischem Geschmack; und indem dadurch der Nachahmungsgeist geweckt wurde, war auch die Gewalt, die bisher der französische Geschmack über die Teutschen gehabt hatte, vernichtet.
Auch das in jeder Rücksicht in gutem und edelem Geschmack von dem Hr. von Erdmannsdorff daselbst erbaute und innerlich verzierte fürstliche Lustschloß war eines der ersten, das frey von Schnörklen und groteskem Geschmack, als Muster eines reinern und edlern Geschmacks in Arabesken und andern inneren Verzierungen diente. Bald folgte man allgemein diesem Beyspiele. So wirkten zwey Männer von Geist aus einer der minder großen aber ruhigen Provinzen auf den Geschmack der Nation".
Quelle: J.F. von Racknitz: 'Darstellung und Geschichte des Geschmacks der vorzüglichsten Völker 1796'.

Wenn Sie, lieber Leser, nun etwas Phantasie haben, können Sie sich vorstellen, wie alles begann: Dann sehen Sie einen jungen Mann, keine 19 oder 20 Jahre alt, aus bester Familie und mit bester Erziehung, der seit Kurzem tun und lassen kann, was er will – dem Erbrecht sei Dank! Und er weiss genau, was er will. Aber er kann das Werk nicht alleine angehen. Also hat er sich andere jungen Männern gesucht, die denken wie er, in manchen Bereichen mehr wissen als er und die bereit sind, sich der Begeisterung für seine Ideen hinzugeben: Der ästhetischen Umgestaltung eines Landes. Da sitzen sie nun mit all dem Ungestüm der Jugend (denn auch sein wichtigster Mit-Helfer, der Gartenarchitekt Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff, ist gerade mal 22 Jahre alt) planen, beratschlagen, rechnen und lassen sich von den Musen in immer gewagtere Höhen tragen.
Wir Heutigen würden sagen: Da plante die Jugend eines Land das grösste Gesamtkunstwerk aller Zeiten. Und ganz nebenbei entsteht auch noch der sogenannte "Dessauer Weg", der die Reformen der Aufklärung unterstützt und selber mit hervorbringt. Welch eine Leistung! Wen Franz III, sein Wirken und seine Zeit interessieren, der hat in der Schrift von Erhard Hirsch "Dessau-Wörlitz" eine fundierte Informationsquelle:
"Umgeben von all den gleichzeitigen allseitigen Leistungen der Dessauer aufklärerischen Reformer, konnte Wörlitz als das 'Mekka', als Wallfahrtsort des reisebegeisterten Zeitalters, als Symbol des unter deutschen Verhältnissen möglichen Fortschritts gelten, der die ganze Skala des gesellschaftlichen Lebens erfasste. Ein jugendlicher Hauch umgab diese gestaltgewordene Aufklärung in ihren Kunstschöpfungen"
"Und es gibt kaum einen Hof und keinen Gutspark der Folgezeit, der nicht vom 'neuen Stil' Dessauer Prägung beeinflusst worden wäre. Als der häufige Dessau-Besucher Friedrich Wilhelm II. nach Friedrichs II. Tod endlich Preußen dem Klassizismus öffnete, Erdmannsdorff nach Berlin und Potsdam berief und anfänglich einen liberalen Kurs im Sinne der Dessauer Reformen einschlagen wollte, zog er....auch Johann August Eyserbeck (den Sohn des Dessauer Gärtners) nach Charlottenburg und Potsdam, der hier wie in Bellevue und Rheinsberg große landschaftliche Umgestaltungen schuf sowie den Neuen Garten und die Pfaueninsel anlegte."
(aus: Erhard Hirsch: "Dessau-Wörlitz, Aufklärung und Frühklassik, Zierde und Inbegriff des 18. Jahrhunderts", ISBN 978-3-89923-127-4).
Reste vom Dessau-Wörlitzer Wunder kann der Besucher im Gartenreich Wörlitz noch heute erleben, auch wenn drei Viertel des Gesamtkunstwerks mittlerweile verschwunden sind. Sie wurden Opfer einer sich verwandelnden Zeit, der Kriege und nicht zuletzt auch der Gier der Mächtigen, die auf Franz III folgten und den einen oder anderen Teil seines Wunderlandes gut für andere Zwecke gebrauchen konnten (Kultur-und-Reisen).
Besucherinformationen:
Schloss Wörlitz - England und Antike in einem Haus

Schloss Wörlitz, der Gründungsbau des deutschen Klassizismus, wurde für den Fürsten Franz nach Entwürfen von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff errichtet. Es enthält die originale Inneneinrichtung vom Ende des 18. Jahrhunderts und beherbergt kostbare Sammlungen z. B. antiker Plastiken, Gemälde und Gefäße der berühmten Wedgwood-Manufaktur.
Nach der Rückkehr von seiner Grand Tour wählte Fürst Franz Wörlitz zum Ausgangspunkt für seine Landesverschönerung. Verbunden damit war der Bau eines neuen Hauses. Von 1769-1773 entstand somit ein Schloss nach dem Vorbild englischer Landhäuser. Die reiche Innenausstattung, die sich vollständig erhalten hat, spiegelt die Reisen und Interessen des Fürsten wider. Hier finden sich antike Plastiken, italienische und niederländische Gemälde (u.a. Rubens) und englische Keramiken. Zusätzlich zeugen hochwertige Stuckaturen, Wand- und Deckenmalereinen sowie speziell für das Haus geschaffene Möbelensembles von Abraham Roentgen nicht allein vom Kunstverstand des Auftraggebers, sondern vermitteln ein ausgeklügeltes pädagogisches Programm.
Eingebettet in den ersten englischen Landschaftsgarten auf dem europäischen Festland laden zahlreiche Ausblicke in den Garten zum Spaziergang ein.
Ein wohldurchdachtes System von Sichtbeziehungen verbindet alle Gartenteile miteinander und leitet in die umgebende Landschaft über. Zahlreiche Bauwerke, auch außerhalb der Anlagen, Plastiken und Gehölzpflanzungen bilden Ausgangs- und Endpunkte dieser Sichtbeziehungen, die die Grenzen des inneren Gartens bewusst verwischen. Auch hier schließt die Verbindung von Schönem und Nützlichem pädagogische Zielsetzungen mit ein, wie beispielsweise ein Brückenbauprogramm oder die künstliche Felseninsel „Stein“. Große Flächen innerhalb des Gartens dienen der Landwirtschaft und dem Obstbau. Die Randbereiche der Gehölzbestände, Gewässer, Felder und Wiesen sind durch eine variantenreiche Bepflanzung gartenkünstlerisch aufgewertet worden.
Gotisches Haus - Gärtnerwohnung und Fürstensitz

Das Gotische Haus (1773-1813) birgt im Inneren eine einmalige Sammlung mit herausragenden, hauptsächlich aus der Schweiz stammenden Glasgemälden vom ausgehenden 15. bis zum 17. Jahrhundert sowie bemerkenswerte neugotische Ausstattungen. Zu Lebzeiten des Fürsten Franz diente ihm das Haus auch als privates Refugium.
Der in England in neugotischen Formen erbaute Landsitz Strawberry Hill wird den Fürsten bei seinem Besuch im Jahre 1764 nachhaltig beeindruckt haben. Nur wenig später veranlasste er Erdmannsdorff, Ähnliches für Wörlitz zu entwerfen.
Anfangs nur als Gärtnerhaus vorgesehen, enthielt das Bauwerk mit dem „Kirchensaal“ bereits einen programmatisch auf das Mittelalter ausgerichteten Raum. Ab 1785 wurde das Gebäude in mehreren Etappen erweitert. In die großen Fenster wurde eine umfangreiche Sammlung wertvoller, überwiegend schweizerischer Glasgemälde eingefügt. Eine Vielzahl altdeutscher Gemälde u. a. von Lucas Cranach sowie zahlreiche historische Bildnisse, Waffen, kunsthandwerkliche Objekte sowie neugotisch geformte Möbel schufen im Haus eine Atmosphäre, die den Geist des ausgehenden Mittelalters atmen sollte.
Das Haus diente auch als das private Refugium des Fürsten, in dem er gemeinsam mit der ihm morganatisch angetrauten Tochter des Gärtners, Luise Schoch, und den drei gemeinsamen Kindern wohnen konnte.
Wenn auch im Laufe der Zeit eine Reihe der zahllosen Ausstattungsstücke verloren ging, so nimmt der eigenartige Zauber der Räume auch noch heute den Besucher gefangen.
Mosigkau - Perle des Rokoko

Das Rokoko-Schloss Mosigkau wurde von der Prinzessin Anna Wilhelmine von Anhalt-Dessau als Sommerresidenz erbaut. Das heute liebevoll als das kleine Sanssouci bezeichnete Haus kann zwar nicht mit der Glanzentfaltung des Potsdamer Vorbildes konkurrieren, von seinem ländlichen Charme und seiner Anmut geht allerdings ein unvergleichlicher Reiz aus. Den Höhepunkt der Gesamtanlage bildet der Galeriesaal im Corps de logis. Der Raum enthält in vertieften Wandfeldern in einer in Deutschland einzigartigen barocken, d.h. lückenlosen Hängung bedeutende Gemälde hauptsächlich flämischer und holländischer Meister.
1742/43 schenkte Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau zwei Güter in Mosigkau seiner Lieblingstochter Anna Wilhelmine. Diese beauftragte den Baumeister Christian Friedrich Damm 1752 mit der Errichtung ihres Sommersitzes. Erste Entwürfe stammen möglicherweise von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, dem Architekten von Sanssouci. Corps de logis, Kavalierhäuser und Wirtschaftsbauten gruppieren sich um den Ehrenhof.
Ein in seinen Grundstrukturen erhalten gebliebener Rokoko-Lustgarten mit einem Irrgarten des 18. Jahrhunderts, alten Heckenbosketten und einem chinoisen Teehaus vervollständigen das Ensemble. Zwei wie Torhäuser am südlichen Zugang gelegene Orangerien beherbergen in der kalten Jahreszeit Jahrhunderte alte Kübelpflanzen.
Im Inneren des Schlosses können 17 Räume mit zum Teil erhaltener Originalausstattung besichtigt werden. Die Gemäldesammlung des zum Lustgarten hin ausgerichteten reich stuckierten Galeriesaals enthält berühmte Werke, u. a. von Anthonis van Dyck, Peter Paul Rubens gemeinsam mit Jan Brueghel d. Ä., Jacob Jordaens, Hendrick Goltzius und Gerard van Honthorst. Das Schloss enthält außerdem die umfangreichste Sammlung an Bildnissen anhaltischer Fürsten.
Nach dem Tode der Schlossherrin im Jahr 1780 wurde ihrer Verfügung entsprechend im Schloss ein Stift für adlige unverheiratete Frauen eingerichtet, das bis nach dem zweiten Weltkrieg bestand. An diese Zeit erinnern eine rekonstruierte Stiftsdamenwohnung und der im nördlichen Gartenteil gelegene Stiftsfriedhof.
Oranienbaum - Ein kleines Stück Holland

Oranienbaum ist ein auf geometrischem Grundriss errichtetes Ensemble aus Stadt, Schloss und Park und zudem ein in Deutschland seltenes Beispiel für eine weitgehend niederländisch geprägte Barockanlage. Henriette Catharina, Fürstin von Anhalt-Dessau und geborene Prinzessin von Oranien-Nassau hatte eine kleine Ansiedlung als Ort für ihren Sommersitz ausgewählt und ihm zuvor den Namen Oranienbaum verliehen.
1683 begann der aus der holländischen Heimat der Prinzessin stammende Baumeister Cornelis Ryckwaert mit der Errichtung des Schlosses. Damit verbunden war auch die planmäßige Anlage einer Stadt und eines Schlossgartens (28 ha) nach niederländischem Vorbild. Anfangs entstand nur das Palais mit begleitenden eingeschossigen Flügeln und Kavalierpavillons. Ab 1693 wurde das Ensemble als Witwensitz ausgebaut und vergrößert. Eine reiche Innenausstattung mit kostbaren Ledertapeten, Fayencen und Gemälden gab dem Haus einen Glanz, von dem heute u. a. noch der Fliesenkeller (Sommerspeisesaal) und der Ledertapetensaal zeugen. Letzterer ist seit dem 07. Juli in seiner ganzen Pracht wieder erlebbar. Bis das Schloss vollständig restauriert ist, werden noch einige Jahre vergehen. Trotzdem kann der Besucher bereits jetzt im Corps de logis die meisten Räume besichtigen und so am Restarierungsprozess teilhaben.

Nach dem Tod der Fürstin wurde das Haus von ihrem Sohn Leopold I. Fürst von Anhalt-Dessau und dessen Sohn Dietrich nur für gelegentliche Jagdaufenthalte genutzt. Erst Fürst Franz nahm sich in den 1880er Jahren wieder des Schlosses und des Gartens an. Er gestaltete nicht nur zahlreiche Räume des Hauses in chinesischem Stil um, er bezog auch die barocke Gartenanlage in die Landesverschönerung des Gartenreiches ein. Am südlichen Rande des Parks entstand ab 1811 eine der größten Orangerien Europas, die seither ohne Unterbrechung zur Unterbringung des reichen Bestandes an Zitruspflanzen genutzt wird.
Der inzwischen verwilderte barocke Inselgarten wurde zu dem einzigen, heute noch weitgehend erhaltenen, englisch-chinesischen Garten des 18. Jahrhunderts umgestaltet. Er bildet ein wichtiges Element in der Stilvielfalt der Gartenlandschaft. Die Pagode, das Teehaus und mehrere Bogenbrücken setzen die architektonischen Akzente dieses Gartenteils. Hier kann man die Gartentheorien des Engländers Sir William Chambers, dessen Gärten in England als Vorbilder dienten, exemplarisch studieren. Der kleinräumig gestaltete Bereich vermittelt zwischen der symmetrischen Gliederung des Barockgartens und der ihn umgebenden natürlichen Landschaft und zeigt somit die gegensätzlichen Gestaltungsauffassungen in der Gartenkunst auf.
Luisium - Ein privates Refugium für die Fürstin

Der klassizistische Landsitz der Fürstin Luise von Anhalt-Dessau gilt als das Meisterwerk Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorffs. Heute erscheint es als die idyllischste der zwischen Dessau und Wörlitz gelegenen Anlagen. Die kleinen Räume und Kabinette des bezaubernden Landhauses mit ihren feinen Stuckdekorationen und Wandgemälden sind weitgehend original ausgestattet.
Fürst Franz von Anhalt-Dessau ließ das kleine Landhaus „Luisium“ durch Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff 1774 bis 1778 für seine Gattin Luise als privaten Wohnsitz erbauen. Nach ihr erhielten Garten und Haus im Jahre 1780 den Namen.
Der kubische Baukörper mit bekrönendem Belvedere ist ein typisches Beispiel Erdmannsdorffscher Architektur. Der harmonischen Gestaltung des Äußeren entsprechen die auf ihre Wohnfunktion reduzierten kleinen Zimmer im Inneren. Vor allem die Räume im ersten Obergeschoss sind mit anmutiger klassizistischer Malerei und Stuckatur verziert. Die Dekorationen zeigen Einflüsse pompejanischer Wandmalereien. Das Erdgeschoss enthält einen prachtvoll ausgestatteten Festsaal, dessen Deckenmalerei das Haus als „Tempel der weiblichen Tugenden“ kennzeichnet.
Das Haus ist von einem englischen Landschaftsgarten (14 ha) umgeben. Hier befinden sich eine Reihe neugotischer und klassizistischer Gartenarchitekturen wie das „Schlangenhaus“, die Orangerie, die Torhäuser und der Ruinenbogen. Der durch eine Hauptallee zweigeteilte Garten enthält einen wirtschaftlich genutzten Teil, in dem Obst- und Gemüseanbau betrieben wurde.
In Sichtbeziehung zum engeren Gartenbereich entstand ab 1779-1781 ein neugotisches Gestüt, welches die umliegenden, von langen Alleen durchzogenen Wiesen- und Auenflächen (35,6 ha) in Form einer "ornamented farm" nutzt. Zum Landschaftsbild gehört eine gemischte Viehherde, die bis heute gehalten wird und einen arkadischen Eindruck vermitteln soll.
Eine vom Haus ausgehende Sichtachse trifft auf die mit einem markanten Obelisken bekrönte Walderseer Kirche, in deren Turm sich die Grablege des Fürsten Franz und der Fürstin Luise befindet.
Öffnungszeiten allgemein:
April und Oktober - Di bis So, Feiertage, 11:00 bis 17:00 Uhr
Mai bis September - Di bis So, 10:00 bis 18:00 Uhr
Eintrittspreise jeweils 4,50 Euro
Weiterführende Informationen, auch zu Veranstaltungen und kulturellen Ereignissen in Dessau-Wörlitz, im Internet unter www.gartenreich.com (Kultur-und-Reisen).